Abschiedlich leben, eine ungewohnte Formulierung.

Abschied und Leben; ist das nicht ein Widerspruch? Passt das überhaupt zusammen? Wie können wir uns am Leben freuen, wenn wir uns ständig mit dem Abschied konfrontieren müssen?  Denn unsere Erfahrung ist, dass Abschiede immer mit Trauer verbunden sind.

Abschied bedeutet, dass etwas geht zu Ende, etwas stirbt. Es hat also mit Verlust zu tun. Das ist schmerzlich und wir möchten ausweichen.

Denn das ist unsere Natur, dass wir halten, festhalten möchten, weil das was wir kennen, was uns lieb und wichtig geworden ist, unser Leben und uns ausmacht. Ohne das Vertraute um uns herum, fühlen wir uns manchmal hilflos, haben Angst, sind wie in einem Vakuum, weil erstmal nichts da ist, was das Vertraute ersetzen kann.

Wir wissen, dass Abschiede zu unserem Leben gehören; wir sind eingebettet in ein Prinzip vom Werden und Vergehen, vom Stirb und Werde, vom ewigen Wandel. Durch die Natur werden wir immer wieder an dieses Prinzip erinnert (Jahreszeiten, Ebbe und Flut, Tag und Nacht, Sonne und Mond). Und wir erleben es in unserem Alltag durch Abschiednehmen von Lebensphasen, Träumen, Ideen, körperlicher Veränderung. Es sind also zwei Seiten unseres Lebens, die Polarität, in der wir leben und die uns immer wieder begegnet. Leben ist ein dynamisches Geschehen; alles hat einen Beginn, einen Höhepunkte und eine Phasen des Niedergangs und schließlich ein Ende. Das Freudige, der Aufbruch, steht dem Schmerzlichen, dem Abschied gegenüber. Das erzeugt Spannung. Wir möchten diese schmerzliche Seite oftmals nicht sehen, sie verdrängen, aber sie gehört zu unserem Leben dazu. Sie braucht ihren Raum.

Wie können wir lernen abschiedlich zu leben?

Da geht es um ein bewusstes Einlassen auf das Heute, ohne Gedanken/Ängste, Vorstellungen über Gestern und Morgen. Das heißt mitzugehen mit dem was ist und loszulassen, wenn es an der Zeit ist. Dabei hilft uns Abschiede bewusst zu gestalten, um frei zu werden für Neues.

Thich Nhat Hanh, ein vietnamesischer Mönch, erzählt folgende Geschichte:

Einer seiner Mitbrüder wollte sich von ihm mit einer Umarmung verabschieden, weil er sich auf eine lange Reise begab. Thich Nhat Hanh lehnte dies ab, da Körperkontakt unter Brüdern in seinem Kloster nicht üblich war. Als Thich Nhat Hanh erfuhr, dass sein Mitbruder auf der Reise tödlich verunglückt war, führte er als eine neue Klosterregel ein, sich mit einer Umarmung mit
3 Atemzügen zu verabschieden. Diese neue Regel sollte dazu dienen sich bewusst zu machen, dass jeder Abschied ein endgültiger sein kann.

Abschiedlich leben ist das Einlassen aufs Loslassen!