Welcher Verlust ist „schlimmer“?

– Die Trauer der Trauernden zu gewichten und zu vergleichen ist problematisch. –

Jeder Mensch, der einen Menschen durch Tod verliert trauert und hält, verständlicherweise, seinen Verlust für den größten. Das bringt manchmal Probleme in den Gruppen.

Auch die Mutter, die mit 100 Jahren stirbt, ist ein Verlust. Für die Frau, die ihren Mann mit 50 Jahren verloren hat, ist es unter Umständen ein viel kleinerer Verlust als ihr Verlust. „Mit einhundert Jahren muss man doch damit rechnen, dass jemand stirbt“. Natürlich muss man damit rechnen, aber es ist bei jedem Angehörigen der Wunsch, der sterbende könne doch noch etwas länger leben, ein Tag, eine Woche, ein Monat, ein Jahr. Dieser Wunsch ist da, wenn ein Kind stirbt und er ist da, wenn jemand 100 Jahre ist, besonders, wenn man sehr eng mit diesem Menschen zusammen gelebt hat.

Ein etwa  siebzigjähriger Mann in einer Trauergruppe war sehr traurig, dass seine Frau gestorben war. Seine Frau war sein Lebensmittelpunkt gewesen. Er hatte keine Freunde, seine Verwandten wohnten weit weg und er fühlte sich jetzt sehr einsam. Im Gruppengespräch der Trauergruppe wollte er eine junge Frau trösten, die ihren Mann durch Unfall verloren hatte und jetzt mit 3 kleinen Kindern zurückblieb. Der Mann sagte dieser jungen Frau, sie sei doch gut dran, sie habe noch ihre drei Kinder und sei nie allein so wie er. Darauf reagierte die junge Frau sehr ärgerlich. Sie sei gar nicht gut dran, sie müsse sich Tag und Nacht um ihre Kinder kümmern und habe überhaupt keine Zeit für sich und keine Zeit zum Trauern. Darauf herrschte beklemmende Stille in der Gruppe. Dieses Beispiel zeigt, dass wir als Außenstehende nicht beurteilen können, was für jemanden schlimmer oder weniger schlimm ist. Jeder Todesfall, jeder Verlust eines Menschen ist für die Hinterbliebenen schlimm. Deshalb bemühen wir uns, nicht zu beurteilen, sondern einfach zuzuhören.

Oft wird uns gesagt, dass jemand zu viel oder zu wenig trauere. Auch das ist von keinem Außenstehenden, sei er noch so ein naher Verwandter, beurteilbar. Manche Menschen gehen täglich auf den Friedhof, andere gehen nie auf den Friedhof. Manche Menschen tragen über Jahre schwarze Kleidung, andere kleiden sich farbig. Manche Menschen machen aus ihrer Wohnung ein „Museum“, andere richten sich komplett neu ein oder wechseln die Wohnung.

Trauernde können nur versuchen das zu tun, was ihnen gut tut, was ihre Schmerzen erträglich macht, was ihr Überleben erleichtert. Wir können nur „bei ihnen stehen“, ohne Worte, ohne zu beurteilen, ihnen „beistehen“ in ihrer schweren Zeit.